Montag, der 25.2.2013
Nach einer entspannten Nacht und einem üppigen Frühstück kommt unser neuer Freund František an unseren Tisch und berichtet, dass alles organisiert sei. Zuerst werden wir im Schloß den Direktor des N.U.L.K. (Nationales Institut f. Volkskultur) Pan Jan Krist, zum Gespräch treffen. Anschliessend können wir das Haus besichtigen. Danach hat er eine Weinprobe mit mährischen Weinen in der neuen Schloßkellerei für uns arrangiert. Last but not least will uns der Pfarrer dann durch die Piaristenkirche führen.
Eigentlich wollten wir um neun Uhr fahren.
Wir laufen zu Fuss zum Schloß. Unterwegs erzählt uns František seine Geschichte. Noch zu Vorwendezeiten arbeitete er als Kellner und Koch im Hotel Strážnice. Nach der Wende ging er weg und sammelte Berufserfahrung in der Welt. Als das Hotel vor fünf Jahren wirtschaftlich gegen die Wand zu fahren drohte, holte ihn der damalige Bürgermeister Šašinka zurück. Mit einem Partner übernahm er das Hotel und führt es seit dem erfolgreich. Darüber hinaus leitet er das Tourismusbüro und ist bei der Entwicklung des mährischen Tourismus eine tragende Säule. Der Mann ist beeindruckend!
Als wir ankommen erwartet uns bereits Pan Krist, der Direktor, in seinem Büro. Auf dem Tisch stehen Kaffee und Plätzchen. Ich erinnere mich an ihn. Er ist ein netter, älterer Herr mit rundem Gesicht und freundlichen Augen. Wir sprechen über den Besuch vor 11 Jahren, über die Familie und über Moli‘s Besuch mit den „Kindern“ von vor 2 Jahren. Er zeigt mir ein Foto von dem schönen Marienbild, dass die Dürrhöfer für die Schloßkapelle gestiftet haben, und dass seit dem sehr prominent über dem Altar hängt. Für ihn ist es ein wenig schwierig die familiären Zusammenhänge nachzuvollziehen, ich verspreche ihm einen aktuellen Stammbaum, möglichst mit Bildern, zu schicken. Bei uns in der Runde sitzt auch Pan Šimša, der Mitarbeiter, der uns gleich durch das Haus führen wird. Nach einer halben Stunde verabschieden wir uns. Er überreicht uns als Abschiedsgeschenk Heimatkundebücher und CD‘s mit Stážnicer Volksmusik und fordert uns auf den Kontakt zu halten. Ich sage ihm zu, seine Aufforderung in der Familie weiter zu geben.
Pan Šimša führt uns dann durch das ganze Haus. Noch vor 11 Jahren durften wir ja nur die renovierten Representationsräume sehen. Diesmal gibt es keine verschlossenen Türen. Staunend sehen wir, dass auch die Räume in den bislang unsanierten Etagen des südwestlichen Flügels (der mit dem Turm) in Angriff genommen werden.
In einem Raum auf dem Boden entdecke ich eine Kiste mit Fotos und Bildern. Ich frage Pan Šimša ob ich mir die mal ansehen dürfe und finde u.A. lauter alte Familienbilder. O. Toni und T. Bianca, O.Nante u. T.Marianna, O.Nante mit O.Willy und dem Eckersdorfer Toni, Bilder von vier der fünf Dürrhöfer und, und, und. Eine echte Schatzkiste! Gerne würde ich ein paar Bilder abfotografieren und frage Pan Šimša ob das geht. Er lacht und bietet mir an die Bilder einzuscannen, dann könne ich sie auf CD mitnehmen. Da wir aber schon so gut wie auf der Rückfahrt sind, und es sich bestimmt um 300 Bilder handelt, fürchte ich, dass das nicht hinhauen wird. Er verspricht mir die gescannten Bilder nach Deutschland zu senden. Tatsächlich erhalte ich nach 2 Wochen ein Konvolut von ca. 300 Bildern!
O. Nante und T.Marianna O.Willy
Auch die Burkrapta dürfen wir von Innen besichtigen und sind tief beeindruckt von der Qualität dieser sehr gelungenen Sanierung. Ich kenne bei uns nicht viele Beispiele, die eine ähnliche Qualität aufzuweisen haben.
Am Ende der Tour verabschieden wir uns herzlich von Pan Šimša. Er fordert uns auf bald wiederzukommen. Ich glaube man wünscht sich hier einen Sparings-Partner aus der Familie um sich einmal über die Familiengeschichte auszutauschen!
Unser Freund František führt uns jetzt zu den alten Gewölben der Schlosskellerei, die merkwürdiger Weise im Industriegebiet liegen. Am Tor zu einer hässlichen Gewerbehalle betreten wir die Unterwelt. Durch einen steilen Treppenabgang gelangen wir in ein riesiges
Fasslager. Hölzerne Weinfässer, soweit das Auge bei diesem trüben Licht reicht. František stellt uns den Chef des Kellers vor, der schon mit seinem listig-lustigen Kellermeister auf uns wartet. Auf einem Tisch stehen eine Menge Gläser für die Probe parat. In Anbetracht der Tatsache, dass wir noch fast 1.000 km Heimfahrt vor uns haben bin ich unsicher, ob das mit der Weinprobe um 11 Uhr vormittags wirklich eine gute Idee ist. Wir stehen massiv auf der Bremse doch František und sein Kumpan legen los. Hauptrebsorten sind Burgundertrauben, die sie in allen Derivaten haben. Weißburgunder, Grauburgunder, Veltliner, alles ist sehr trinkbar. Der Kellermeister hat einen riesigen Spass dabei uns ein Glas nach dem anderen zu reichen. Wir bitten um Gnade, kommen aber aus dieser Nummer nicht raus. Zu meiner Rettung fällt mir irgendwann der Pfarrer ein, der auf uns wartet. Ich frage František ob es einen sehr schlechten Eindruck macht, wenn man am Vormittag mit einer mächtigen Weinfahne bei ihm aufläuft. Das Argument zieht, und wir brechen die Probe ab. Für den Heimweg bekommen wir jeder noch einen Karton Strážnicer Wein-Mischung mit auf den Weg. Die Verkostung hat sich so lange hingezogen, dass wir eine halbe Stunde zu spät sind. Beschwingt laufen wir zum Pfarrhaus, doch der Pfarrer ist nichtmehr da. Ich bin erleichtert, denn wir hätten wahrscheinlich keinen guten Eindruck hinterlassen. So bitte ich František, dass er uns bei Hochwürden für diese Unhöflichkeit entschuldigt, wir werden es beim nächsten Besuch wieder gut machen.
Da ich den Wein deutlich spüre frage ich unseren Gastgeber, ob wir bei ihm im Restaurant vor unserer Abfahrt noch etwas zu essen bekommen können. Er schaut mich mit einem Blick an der sagen will: „Glaubst Du etwa, dass ich Euch ohne Mittagessen auf die Strasse lasse?“ Seine Frau hat zwischenzeitlich für uns schon Schweinebraten und böhmische Knödel geordert, die, als sie kommen in einem See köstlicher Bratensauce schwimmen. Nach dem Essen verschwindet František für 10 Minuten dann kommt er mit zwei prall gefüllten Taschen zurück. Es scheint als habe er seine komplette Tourist-Information ausgeräumt. In der Wundertüte finden wir DVD‘s über Mähren, CD‘s mit Volksmusik, Land- und Postkarten in verschiedenen Größen, für die Kinder zwei kleine Stroh-Engel und für die Frauen jeweils einen Großen.
Zum Abschied umarmen wir uns herzlich, wir haben einen neuen Freund gefunden.
Trotz der großen Entfernung vergeht die Rückfahrt wie im Flug. Je weiter wir nach Westen kommen, desto winterlicher wird es wieder. Ein kurzer Stop zum Abendessen bei Line und Axel in Teisendorf dann geht es Richtung Bodensee. Um zwei Uhr Nachts rollen wir auf den Oberbühlhof, der in tiefem Schlaf liegt, wir sind wieder zu Hause.